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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: 9 W 216/99
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 102
KostO § 103 Abs. 1
KostO § 46 Abs. 2
KostO § 18 Abs. 1
Die Gebühr für die Eröffnung eines Erbvertrages richtet sich nach der Höhe des Nachlasses, über den letztwillig verfügt wurde, unabhängig davon, ob der Begünstigte später auf eine Zuwendung verzichtet hat.

SchlHOLG, 9. ZS, Beschluß vom 08. Februar 2000, - 9 W 216/99 -,

9 W 216/99 3 T 492/99 LG Lübeck 7 IV 314/97 AG Schwarzenbek


Beschluss

In dem Verfahren

über den Nachlass des Kaufmanns, geboren am 21. April 1906, verstorben am 10. August 1997,

Beteiligte:

1. Frau ,

Verfahrensbevollmächtigter:

Notar ,

2. die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Lübeck,

hat der 9. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. vom 2.12.1999 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 5. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht

am 8. Februar 2000 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Erblasser, dessen Ehefrau , und deren gemeinsamer Sohn, hatten am 18.12.1981 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, durch den der Erblasser seinem Sohn ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem Viertel seiner Anteile an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Vermächtnis zuwandte. Die Ehefrau des Sohnes und dessen zwei Kinder waren als Ersatz- und Nachvermächtnisnehmer eingesetzt worden. Der Sohn hatte durch den in derselben Urkunde aufgenommenen "Erbverzichtsvertrag" auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet.

Nach dem Tod des Vermächtnisnehmers am 6.2.1982 schlossen der Erblasser und dessen Ehefrau einerseits und die Wittwe des verstorbenen und deren beide Kinder andererseits am 16.8.1988 einen notariellen "Zuwendung- und Erbverzichtsvertrag", durch den letztere auf sämtliche Zuwendungen aus dem Erbvertrag vom 18.12.1981 gegen sofortige Zahlung eines Geldbetrages verzichteten.

Nach dem Tod des Erblassers war der Erbvertrag vom 18.12.1981 nach Ablieferung durch den Notar an das Amtsgericht Hamburg, Nachlassgericht, eröffnet worden. Das Amtsgericht Schwarzenbek hat als örtlich zuständiges Nachlassgericht der Beteiligten zu 1. als Miterbin mit Kostenrechnung vom 17. Mai 1999 5/10 Gebühren nach § 102 KostO nach dem bereinigten Wert des Vermögens des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalles in Rechnung gestellt.

Dagegen hat die Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 18. August 1999 Erinnerung eingelegt. Sie ist der Ansicht gewesen, auf Grund des Verzichtsvertrages vom 16.8.1988 habe der Erbvertrag vom 18.12.1981 keinen Wert mehr. Da aber wie bei der Eröffnung einer widerrufenen letztwilligen Verfügung auf den Wert der Eröffnung für den Erben abzustellen sei, sei lediglich die Mindestgebühr anzusetzen (Korintenberg/Lappe, KostO 13. Aufl., § 103 Rdnr. 32). Die vom Wert bestimmten unterschiedlichen Gebühren für die gleiche staatliche Leistung seien allein mit dem unterschiedlichen Wert dieser Leistung für den Bürger im Einzelfall und der damit korrespondierenden unterschiedlichen Haftung für eine Amtspflichtverletzung zu rechtfertigen. Dies müsse bei der Auslegung der Normen Berücksichtigung finden. Eine Leistung ohne Wert trage keine hohe Wertgebühr, sondern nur die Mindestgebühr (Lappe NJW 1989, 3257). Es stelle im übrigen einen Wertungswiderspruch dar, wenn nach § 46 Abs. 2 KostO für die Beurkundung des Widerrufs einer letztwilligen Verfügung nur die Hälfte der vollen Gebühr erhoben werde, für die Eröffnung des Widerrufs aber die Gebühr angesetzt werde, die für die Eröffnung der letztwilligen Verfügung selbst gelte.

Die Beteiligte zu 2. ist der Erinnerung entgegengetreten. Sie hat den Standpunkt vertreten, in Anlehnung an die herrschende Rechtsprechung (z.B. OLG Stuttgart Rpfleger 1988, 485) sei bei der Eröffnung einer widerrufenen, nichtigen oder sonst überholten letztwilligen Verfügung in einer besonderen weiteren Eröffnungsverhandlung der volle Nachlasswert und nicht etwa nur der Mindestwert zugrundezulegen.

Das Amtsgericht Schwarzenbek hat die Erinnerung durch Beschluss vom 20. September 1999, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Es ist der Ansicht der Beteiligten zu 2. gefolgt und hat auf § 102 KostO abgestellt, wonach für die Eröffnung einer Verfügung von Todes wegen die Hälfte der vollen Gebühr erhoben werde, ohne dass in dieser Vorschrift unterschieden werde, ob diese Verfügung auf Grund späterer Verfügungen des Erblassers widerrufen oder sonstwie abgeändert worden sei. Allein die Tatsache der Eröffnung des Testamentes löse den Gebührenanspruch aus, nicht dessen Auswirkungen für die Beteiligten.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1. am 18.10.1999 Beschwerde eingelegt und nochmals hervorgehoben, bei der Wertberechnung müsse darauf abgestellt werden, welchen Wert die Eröffnung für den Erben habe. Sei das zu eröffnende Testament widerrufen, sei es wertlos. In einem solchen Fall den Gebührenansatz nach dem Wert des Nachlasses zu bestimmen, sei grob unbillig und müsse korrigiert werden. Im übrigen hat sie ihre Ausführungen im Erinnerungsverfahren wiederholt.

Das Landgericht hat nach nochmaliger Anhörung der Beteiligten zu 2. durch den angefochtenen Beschluss die Beschwerde zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Das Landgericht hat ausgeführt, bei der Wertfestsetzung komme es nicht auf den Inhalt der eröffneten letztwilligen Verfügung, sondern lediglich auf den Eröffnungsakt an sich an. Dies sei sachlich gerechtfertigt. Anderenfalls müsse mit der Eröffnung entschieden werden, ob die letztwillige Verfügung rechtsgültig sei und welche Auswirkungen ihr hinsichtlich früherer letztwilligen Verfügungen zukomme. Dafür sei das Eröffnungs- und Kostenansatzverfahren nicht geeignet.

Gegen diesen Beschluss, auf den wegen der Einzelheiten der Begründung ergänzend verwiesen wird, richtet sich unter Wiederholung der bisherigen Ausführungen die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO zulässig.

Die angefochtene Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO, 550 ZPO) zum Grunde stand. Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Gebühr erweist sie sich jedoch als rechtsfehlerhaft und war daher aufzuheben.

1. Rechtlich ist der Ausgangspunkt der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, nach dem der Berechnung der Eröffnungsgebühr gemäß §§ 102, 103 Abs. 1 und 3, 46 Abs. 4 KostO der Wert des bereinigten Nachlassvermögens, über welches von Todes wegen verfügt worden war, zu Grunde zu legen ist. Der Ansatz lediglich der Mindestgebühr nach § 33 KostO kommt nicht in Betracht.

Für die Eröffnung eines Erbvertrages ist jeweils die Gebühr aus dem nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden Wert des reinen Nachlasses bzw. des Verfügungsgegenstandes anzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Erbvertrag durch spätere Verträge aufgehoben oder anderweitig überholt ist. Dies ist für den gleich gelagerten Fall der Wertberechnung bei der Eröffnung überholter oder nichtiger Testamente die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt (vgl. BayObLG FGPrax 1997, 73; KG Rpfleger 1979, 277; OLG Frankfurt JurBüro 1986, 426; OLG Stuttgart Rpfleger 1988, 485; OLG Köln Rpfleger 1992, 394; LG Duisburg Rpfleger 1988, 190; Hartmann, KostG, 29. Aufl., § 103 Rdnr. 2; Göttlich/Mümmler, KostO, 12. Aufl., Stichwort "Eröffnung", Ziff. 1.4, S. 435).

Bei der Festsetzung des Geschäftswertes im Sinne des § 18 KostO entscheidet der objektive Wert des "Gegenstands des Geschäfts" und nicht das Interesse der Beteiligten an dem Geschäft, das durchaus unterschiedlich groß sein kann (Korintenberg/Bengel, KostO, 14. Aufl., § 18 Rdnr. 3; Hartmann, Kostengesetze 29. Aufl., § 18 Rdnr. 4). Der von der Beteiligten zu 1. vertretenen Ansicht, es dürfe nur die Mindestgebühr angesetzt werden, weil eine widerrufene Verfügung keinen Wert habe (vgl. Korintenberg/Lappe, KostO, 14. Aufl., § 103 Rdnr. 32; Lappe, NJW 1989, 3254, 3257; Rohs/Wedewer, KostO, § 103, Rdn. 6), kann daher nicht gefolgt werden.

In § 103 Abs. 2 KostO hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, ausschließlich die gleichzeitige Eröffnung mehrerer Verfügungen an einem Gericht als Gebührenermäßigungsgrund anerkennen zu wollen, weitere Umstände hingegen nicht, so auch nicht den Inhalt der eröffneten Verfügungen. Sogar bei völliger Identität nacheinander eröffneter letztwilliger Verfügungen fällt jeweils eine Gebühr an (BayObLG, aaO; OLG Frankfurt, aaO; a.A. Korintenberg/Lappe, § 103, Rdnr. 31).

Es kommt auch nicht auf das wirtschaftliche Gesamtergebnis des Eröffnungsaktes an. Ein solches festzustellen, wäre systemfremd und würde den Rahmen des Eröffnungsverfahrens sprengen, ja wäre oft unmöglich. Dementsprechend ist nach allgemeiner Ansicht bei der Eröffnung einer letztwilligen Verfügung oder eines Erbvertrages auch nicht darüber zu entscheiden, ob die Verfügung von Todes wegen etwa ganz oder teilweise rechtsgültig ist oder nicht (OLG Düsseldorf OLGZ 1966, 64; KG Rpfleger a.a.O.; Palandt/Edenhofer, § 2260, Rdn. 1 und 3).

Der Ansicht der Beteiligten zu 1., die vom Wert bestimmten unterschiedlichen Gebühren für eine gleiche staatliche Leistung rechtfertigten sich allein aus dem unterschiedlichen Wert dieser Leistung für den Bürger im Einzelfall und der damit korrespondierenden unterschiedlichen Haftung für eine Amtspflichtverletzung, kann der Senat nicht folgen. Gebühren stellen vielmehr öffentlich-rechtliche Geldleistungen dar, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (vgl. BVerfG NJW 1979, 1345 m.w.N.). Daraus ergibt sich, dass Gebühren gerade nicht an den Wert der Leistung für den Bürger im Einzelfall gekoppelt sind. Auf den individuellen, wirtschaftlichen Wert der Leistung für den einzelnen Bürger kommt es nicht an.

Auch ist der von der Beteiligten zu 1. angeführte Wertungswiderspruch nicht ersichtlich. Der Widerruf einer letztwilligen Verfügung ist nicht vom Nachlassgericht zu eröffnen. Eine Gebühr fällt daher nicht an.

2. Die angefochtene Entscheidung war jedoch aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, weil der Gebührenberechnung der Wert des gesamten Nachlasses abzüglich der Verbindlichkeiten zu Grunde gelegt worden war. Das stellt einen Verstoß gegen § 46 Abs. 4 KostO dar. Wird danach nur über einen Bruchteil des Vermögens verfügt, so ist der Gebührenberechnung auch nur der Wert des entsprechenden Bruchteils des reinen Vermögens zugrundezulegen.

Durch den Erbvertrag vom 18.12.1981 hat der Erblasser seinem Sohn lediglich ein Vermächtnis in Form eines lebenslänglichen Nießbrauchrechtes an einem Viertel des Gewinnanspruchs der Gesellschaftsanteile an der BGB-Gesellschaft zugewandt. Daher ist lediglich der Wert dieses Anteils am Gewinnanspruch des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls der Kostenrechnung zugrundezulegen.

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 5 KostO.

Ende der Entscheidung

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